Resultate einer Künstlerfreundschaft
Ausstellung mit Horst Leifer in Pulsnitz 2006
Beide lernten sich in der Hochschule für Bildende Künste Dresden kennen:
Christiane Latendorf (geb. 1968 in Anklam) studierte dort von 1993 bis 1997 Malerei und Grafik,
Horst Leifer (1939-2002) war zur gleichen Zeit Lehrer. Die junge Studentin hatte sich das Turmzimmer als Arbeitsort
gewählt, um mehr Ruhe und Stille zu haben, worauf Horst Leifer auf die Tür schrieb: „Hüterin des Einhorns“.
Die wundersame Art, mit der Latendorf arbeitete und studierte, hatte die Aufmerksamkeit des Älteren auf sich gezogen.
Die seltsame Welt entrückter Nähe zu den Dingen mag ihn wohl damals schon angezogen haben. Vielleicht war die Studentin,
die fortan Rat und Hilfe bei ihm suchte, so etwas wie eine Wahlverwandte, Fortsetzung seiner eigenen verborgenen
Träume von Kunst. So scheinen sich die Bilder der beiden trotz ihres Unterschiedes glücklich zu ergänzen:
Der dunkle, beinahe grüblerisch-düstere Leifer mit der heiter-nachdenklichen, farbenreichen, nicht unproblematischen
Latendorf. Nun sind Arbeiten der beiden im Rietschel-Haus in Pulsnitz in einer glücklich zusammengestellten Ausstellung
zu sehen: Die Jüngere im Erdgeschoss, der Meister oben.
Christiane Latendorf zeigt in Pulsnitz die Arbeiten, die vor und währen ihres Studiums zustande kamen,
und einige neue Bilder von 2006. Das Studium war die Zeit der überströmenden Bilder in ihr, die sie rauschhaft
abarbeitete: Erlebnisse aus der näheren Umgebung, Alltagsdinge, die sie bewegten, Studienepisoden, die sie zu eigenen
oft gegenständlichen Kompositionen umformte.
Da ist der groteske Akt („Alltagsakt“, 1994), der mit seinen drei Brüsten dasteht, ganz kreatürlich elementar. Schrecken
und Erkenntnis gehen bei Latendorf Hand in Hand. Das an sich Negative erscheint letztlichals etwas Gutes und enthält
eine Botschaft, die Mut zum Weiterleben macht. So hat sie in zwei Arbeiten, eine davo auf einem blauen Müllsack,
den „Dökö“ (Dörpköter) verewigt. Immer ist da eine gute Mischung aus spontanem Witz und Hintergründigkeit, die
Latendorfs Kunst auszeichnet. Es war ihr einmal nicht leich gemacht worden, Malerei zu studieren, aber der Drang
nach dem magisch-weißen Papier, das ihr zuzusprechen schien, war größer und stärker. So stellte sich auch bald Erfolg ein,
zu dem insbesondere Horst Leifer beitrug, der das Talent auch menschlich begleitete.
Beide zeichneten und malten gemeinsam, schweigsam, aber innerlich verbunden. Leifer lud sie oft in sein Haus in Sanz
in Mecklenburg ein, wo sie ein Teil der Familie war. Der Meister liebte die Natur. Man ging in mecklenburgischer Weite
spazieren, vor allem aber an die nahe gelegene Koppel mit den Pferden.
Hier in Sanz entstand auch ein Großteil von Horst Leifers Werk: Aquarelle und Ölmalerei von Landschaften, Dingen und
Menschen, die ihm nahestanden, darunter sehr eigenwillige Porträts von der Latendorf und von ihm selbst.
Leifer, der bis zum Exzess Sich-Selbst-Ausforschende, ist in der Ausstellung auch mit den spektakulären Selbstbildnissen
(Zeichnungen) vertreten, die er bus kurz vor seinem Tode von sich selbst machte, daneben eine Kohlezeichnung von
Christiane Latendorf, die Leifer an eine Figur aus E.T.A. Hoffmanns Erzählungen erinnern lässt.
Ein Gesicht, durchfurcht, schalkhaft, skurril. Bei seinen Ölbildern waltet der Strich. Flächen werden aus Strichformationen
erzeugt. Braue, erdig- gelbe und grüne Töne dominieren, die von innen floureszensartig leuchten.
Scharfe Konturen werden duch die morsche Linie aufgelöst. In seinen Zeichnungen überwiegt der sich vorwärts tastende
Strich, Strichelungen, die sich dem Umriss nähern und sich dort verdichten.
Beide nahmen sich einander an. wie sie waren. In ihrem „Abschied der Freunde“ sind beide zu sehen, am letzen Tag der
Gemeinsamkeit. Horst Leifer starb am 24. Januar 2002. In Christiane Latendorfs Kunst lebt etwas von ihm weiter.
Heinz Weißflog
Ausstellungsbesprechung in den Dresdner Neuesten Nachrichten am 27. Dezember 2006.
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